Der Entwurf versteht sich als Versuch, ein Verhältnis zwischen Struktur und Aneignung, zwischen Architektur und Nutzung zu finden. Das Neue wird aus dem Vorhandenen entwickelt, ohne zu wissen, wie die Nutzung sein wird. Dafür ist es notwendig, dass die Eingriffe von sich aus sinnvoll sind. Die Höfe und Gebäude des Geländes haben bereits zum Teil stark, zum Teil schwächer ausgeprägte Charakter. Durch präzise, teilweise Öffnung der Mauern zu den Straßen hin, wird die hermetische Abriegelung aufgebrochen, ohne die klare Umfassung zu verlieren. Die Gebäude (Pontaniou und Crêperie) stehen plötzlich mit ihren Fassaden in der Stadt (Vorplatz). An anderer Stelle bleiben die Mauern geschlossen und verstecken den Garten.
Im Groben gliedert sich das Areal in zwei Teile, die durch einen Höhensprung von ungefähr zehn Metern getrennt sind. Das obere Plateau besteht aus dem ehemaligen Gefängnis Pontaniou und den angrenzenden Höfen, das untere ist eine von Mauern umschlossene Freifläche, die Madeleine genannt wird.
Das Pontaniou wird in seiner Struktur erhalten und durch kleine Eingriffe verändert. Es besteht aus drei Geschossen. An den Längsseiten reihen sich auf beiden Seiten die Zellen, in der Mitte verläuft der Erschließungsgang. Das oberste Geschoss ist später hinzugekommen, wie das Gesims an der Fassade zeigt. Es besitzt nicht die konstruktive Klarheit der unteren Geschosse, deshalb wird es ersetzt durch ein neues Dachgeschoss, das nicht versucht, den unteren Mauerwerksbau zu imitieren. Im Erdgeschoss, das vom Vorplatz und dem Vermittler erschlossen werden kann, befinden sich Zellen, die eher öffentlichen Nutzungen dienen könnten. Sie sind zum Teil miteinander verbunden bzw. können auch mit den an der Südseite gelegenen Zellen, belichtet durch den neuen Arkadenhof, zusammengeschlossen werden. Die nördlichen Zellen öffnen sich zum Werkhof. Dieser bleibt frei.
Die Zellen der beiden darüberliegenden Geschosse sind für die individuelle Nutzung vorgesehen. Die reduzierte, repetitive Zellenstruktur, die vormals dem Unterdrücken der individuellen Freiheit diente, wird zum Schauplatz einer Entfaltung der demokratischen Individualisierung. Alle Zellen sind gleich. Alle bieten die gleiche Ausgangsbasis, einen Wasseranschluss und ein großes Fenster mit Austritt. Es werden keine Aussagen gemacht über die möglichen Nutzungen, damit die Offenheit des menschlichen Handelns nicht eingeschränkt wird. Der Benutzer des Gebäudes wird zum Gestalter. Erst durch sein Handeln wird die Struktur zur Architektur.
Im Dachgeschoss befinden sich die Hallen. Zwei langgestreckte Räume, die sich wiederum durch ihre Maße eher öffentlichen Nutzungen eignen. Sie werden freigehalten für die sich entwickelnden Nutzungen des Hauses. Im Pontaniou werden also über die Geschosse hinweg die Verhältnisse von Öffentlichkeit und Privatheit, zwischen Individuum und Gemeinschaft ausgehandelt.
Der angrenzende Hof wird Vermittler genannt, weil er zwischen dem höchsten und niedrigsten Punkt des Geländes und zwischen Recouvrance, Pontaniou und Madeleine eine Verbindung herstellt. Hinter ihm liegt der Garten. Das spitze Dreieck, im jetzigen Zustand von Sommerflieder überwuchert, wird durch die Setzung eines runden Pavillons zum Garten. Drumherum bleibt Wildnis. Das vom Pavillon gesammelte Wasser fließt nach nebenan, in ein mit Pflanzen bestandenes Wasserbecken im ansonsten kargen Hof. Hier geht es um das Verhältnis und das Abwägen von natürlicher Verwilderung und kultureller Gestaltung.
Über eine Brücke aus Granit, die sich aus einem Wandpfeiler fortsetzt und in die Madeleine hineinragt, und eine Treppe aus weiß gestrichenem Stahl, die den Brückenkopf umwindet, gelangt man hinunter. „Brest ist eine Stadt aus Beton“, wird oft gesagt. Dieser Entwurf geht eher davon aus, das Brest eine Stadt aus Stahl und Granit ist. Der Hafen, dem die Stadt ihre Existenz verdankt: Stadt aus Stahl. Das geologische Fundament, auf dem sich alles abspielt: Granit.
Die Madeleine ist ein großer Hof, eine Brachfläche, und das wird als positiv verstanden. Mit dem einsetzen von zwei langen Säulengängen auf beiden Längsseiten wird die Fläche nur geringfügig beeinträchtigt. Die Struktur tritt durch die gleichmäßige Wiederholung in den Hintergrund. Die Architektur ist nur Hintergrund für das menschliche Handeln. Auch hier: keine Nutzungen vorgeschrieben, alles vorstellbar. Nur die Möglichkeit, die Fläche auch bei Regen zu nutzen. Und vielleicht auch, die einfache Struktur als Ausgangspunkt zum Weiterbauen zu benutzen. Die Brücke mit Treppe vom Pontaniou kommend, steht in Symmetrie zu dem großen Baum, der bisher das Gelände als solitäres Element prägt. Die Madeleine ist die gedachte Fortsetzung des neuen Pontaniou, sie ist in gewisser Weise das Gegenstück zu den individuellen Zellen: die offene Reihung der Zellen auf Stützen ist öffentlich.