Der Kopf der Stadt – Repräsentationsbauten

Mit der massiven oder gar vollständigen Zerstörung der Stadtzentren wurden auch die Gebäude ihrer Führung – der Kopf der Stadt – sowie ihre ausführenden Organe – ihre Hände – zerstört; der Körper – die Bevölkerung – wurde in alle Winde zerstreut. Nun galt es, einen wieder funktionierenden Stadtkörper wiederaufzubauen. 

Daher kommt dem Wiederaufbau repräsentativer Gebäude bei Wiederaufbauplänen in der Regel eine besondere Bedeutung zu, da sie die Möglichkeit bieten, symbolisch wirksame Embleme zu errichten. Für Brest wurde darüber hinaus beschlossen, die repräsentativen Gebäude mit einer Granitverkleidung zu errichten.

Brest

Die Lage der Repräsentationsgebäude wurde in Mathons Wiederaufbauplan entlang der städtischen Haupt- und Nebenachsen festgelegt. Die zuerst errichteten staatlichen Gebäude werden in einer einheitlichen neoklassizistischen und monumentalen Formensprache ohne regionale architektonische Bezüge gestaltet, während die später errichteten städtischen Gebäude wie das Rathaus oder das Verwaltungszentrum mit Betonplatten verkleidet oder einfach verputzt werden. Durch die monumentale Gestaltung wird die Macht des Staates demonstriert, während die Gebäude, die die Stadt repräsentieren, die Wiederherstellung stabiler ziviler und rechtlicher Verhältnisse zeigen. 

Rathaus der Stadt

1757 kaufte die Stadt das Hotel Gouin de Chapizeau und baute es zum Rathaus und zur Polizeistation um, nachdem sie zuvor gemietete Wohnungen genutzt hatte. Das Gebäude wurde 1944 zerstört und nicht wiederaufgebaut. 

1945 wurde ein provisorisches Rathaus in einem mehrflügeligen, durchaus repräsentativ gestalteten Barackenkomplex in der Nähe der Kirche Saint-Martin eingerichtet. Der Bau eines neuen Rathauses auf dem Place de la Liberté wurde im Mathon-Plan festgeschrieben. Das zwischen 1957 und 1961 von Maurice Léon Génin erbaute Gebäude bildet den Kopf am östlichen Ende der Hauptachse der Stadt, der Rue de Siam. Das mit Betonplatten verkleidete Gebäude, das aus einem Repräsentationsflügel und einem Verwaltungsturm besteht, dominiert die Stadt. Im Zusammenspiel mit dem Freiheitsplatz bildet es symbolisch einen Kontrapunkt zum Marinehauptquartier, das im Schloss untergebracht ist, und unterstreicht das Selbstbewusstsein der Bürger und der Lokalpolitik in dieser stark vom Militär geprägten Stadt.

7.1 Rathaus, Rue de Lyon, Anfang des 20.   

7.2 Provisorisches Rathaus, Rue Malakoff, um 1960 

7.3 Rathaus, Place de la Liberté, 1970er Jahre

7.4 Hôtel de Ville, Service de l’Etat civil, rue Frezier, Empfangshalle, ca. 1970 

Post

Das 1927 auf dem Place Anatole France errichtete Postamt mit seiner plastisch strukturierten Fassade war im Art-Déco-Stil gestaltet worden, insbesondere mit Mosaiken an der Fassade und in der Schalterhalle. 1950 wurde es an derselben Stelle von dem Architekten Pierre-Jack Laloy in einem ähnlichen Volumen wiederaufgebaut, mit einer symmetrischen neoklassizistischen Fassade, Granitverblendungen und einem monumentalen Gesims sowie einer zentralen Halle mit einem Glasdach, das von einem Betonskelett getragen wurde. Das Gebäude ist ein markantes Element am oberen Ende der Rue Siam.

7.5 Hôtel des postes, Place Anatole France, 1936 

7.6 Hôtel des postes, place Anatole France, Empfangshalle, 1936 

7.7 Hôtel des postes, rue de Siam, 1955 

Gericht

Der Justizpalast von Brest wurde während des Zweiten Weltkriegs vollständig zerstört. Das neue, von Gabriel Béné entworfene Gebäude wurde 1952 fertiggestellt und befindet sich am südlichen Ende der städtischen Querachse Plan Mathon, nicht weit von seinem alten Standort entfernt. Der aus Bossensteinen bestehende Sockel steht im Kontrast zu den glatten Granitplatten der Fassade, und die breite Freitreppe vor dem zentralen Vorbau, die mit kolossalen Pfeilern entworfen wurde, unterstreicht den monumentalen Charakter des Gebäudes. Am Kopf der beiden Wände, die die Treppe einrahmen, befinden sich die Granitskulpturen “Lex” (Gesetz) und “Tuetur” (man schützt) des Künstlers Marcel Courbier.

Dresden

In Dresden sind die repräsentativen Gebäude der Stadt in der Regel nicht in einen neu geplanten städtebaulichen Kontext eingebunden. Sie folgen auch keinem einheitlichen stilistischen Konzept, da beschädigte Gebäude in der Regel nach dem Vorbild der Vorkriegszeit wiederaufgebaut wurden. Aus Geldmangel wurde die Inneneinrichtung der Gebäude oft vereinfacht und nach moderneren Gestaltungsprinzipien ausgeführt. Im Zuge der Umgestaltung wurden viele Kunstwerke im Zusammenhang mit den Gebäuden im Stil des sozialistischen Realismus geschaffen.

Rathaus der Stadt

In Dresden war zwischen 1905 und 1910 ein neues Rathaus mit einem sehr hohen Turm gebaut worden, da mehr Platz für die Stadtverwaltung benötigt wurde.  

Ab 1946 wurde das stark beschädigte Rathaus in Anlehnung an das ursprüngliche Gebäude wiederaufgebaut, wobei die Ausführung jedoch in Bezug auf Materialien und Details verarmte. Von 1948 bis 1952 folgte der Südflügel und von 1962 bis 1965 der Ostflügel, der deutlich moderner gestaltet ist und repräsentative Räume enthält, deren ursprüngliche Gestaltung nicht fortgeführt wurde.

7.8 Rathaus, Gesamtansicht von Osten, 1974 

7.9 Rathaus, großer Festsaal, 1937 

7.10 Rathaus, Festsaal, 1966 

Post

In Dresden befanden sich mehrere repräsentative Gebäude des Postwesens im Stadtzentrum, auf dem 1865 in Postplatz umbenannten Platz. Die dort zwischen 1876 und 1881 errichtete Oberpostdirektion wurde jedoch trotz ihrer zentralen Lage nicht wiederaufgebaut. Lediglich ein Postamt befand sich bis 1990 in einer Baracke auf dem Postplatz, in der Nähe seines ursprünglichen Standorts. Das Hauptpostamt 6, das sich auf der anderen Seite der Elbe in der Neustadt befand, stellte quasi einen Ersatz für die alte Oberpostdirektion dar.

7.11 Die Oberpostdirektion, um 1890 

7.12 Postbaracken auf dem Postplatz, 2003 

7.13 Hauptpostamt 6, Briefmarke, 1982

Haus der sozialistischen Kultur

Ein monumentales, über 100 m hohes Haus der sozialistischen Kultur, vergleichbar mit einem Haus des Volkes, sollte nördlich des Altmarkts an der neuen Ost-West-Achse im Stil des sozialistischen Realismus errichtet werden. 

Nach mehreren Wettbewerben realisierte der leitende Architekt Wolfgang Hänsch schließlich zwischen 1962 und 1969 den modernen Entwurf von Professor Leopold Wiel, der von Brasilia inspiriert war. 

7.14 Herbert Schneider: Entwurf für das Haus der sozialistischen Kultur, 02/1956 

7.15 Haus der sozialistischen Kultur, gebaut nach dem Wettbewerbsentwurf von Leopold Wiel, 1969