Kirchen bilden das Herz der Stadt; sie sind Ausdruck ihrer Zeit und manifestieren ihre gesellschaftliche Bedeutung. Der Wiederaufbau zerstörter Kirchen spiegelt ihre Bedeutung im aktuellen geopolitischen und zeitlichen Kontext wider.
Brest
In der Vorkriegszeit gab es in Brest fünf Kirchen; eine davon wurde stark beschädigt, aber restauriert; zwei weitere wurden zerstört und 1958 auf andere Weise wieder aufgebaut. Außerdem wurden in den 1960er Jahren neue Kirchen gebaut, um dem Bevölkerungswachstum gerecht zu werden.
Provisorisch
In Brest wurden außerhalb des alten Festungsgürtels provisorische Umsiedlungssiedlungen angeordnet, die über eine vollständige städtische Infrastruktur wie Schulen, Geschäfte, Gesundheitszentren und auch Kirchen verfügten.
Auf dem Bouguen-Plateau, in einer der größten Barackensiedlungen, wurde die provisorische Kirche – ein großes, schwarz gestrichenes Holzgebäude mit basilikalem Querschnitt – am 8. Dezember 1946 eingeweiht. Sie wurde zwischen 1966 und 1968 durch die Kirche Notre-Dame du Bouguen ersetzt, ein modernes Betongebäude, das an der Grenze zum Stadtteil Kerbernier errichtet wurde. Das Tryptichon (Jim Sévellec) und der 1949 von André Muriel-Bussy gemalte Kreuzweg wurden von der provisorischen Kirche in die neue « feste » Kirche verlegt.
11.1 Cité baraques Brest-Bouguen, provisorische Kirche, ca. 1950
11.2 Provisorische Kirche Saint-Louis, ca. 1955
Moderner, monumentaler Neubau am alten Standort
Die ab 1686 erbaute Kirche Saint-Louis mit einem Turm war weithin sichtbar. Ihre Außentreppe, die dem Haupteingang voranging, ragte in die Rue Kerand hinein.
Obwohl ein Teil ihrer Mauern den Krieg überstanden hatte, wurde die Kirche wie alle Gebäude im Stadtzentrum zugunsten einer radikalen neuen Stadtplanung abgerissen. Parallel zu den ersten Wohnungsbauten im westlichen Teil des Stadtzentrums wurde südwestlich des heutigen Standorts eine große provisorische Kirche errichtet (1950 bis Anfang der 1970er Jahre), mit einer großen Freitreppe und einer in drei Teile gegliederten Eingangsfassade.
1948 wurde ein zweistufiger Wettbewerb für den Bau eines neuen Gebäudes ausgeschrieben, den Yves Michel zusammen mit vier Mitstreitern gewann. Aufgrund von Kontroversen unternahm man 1952 eine Reise nach Süddeutschland und in die Schweiz, um dort die moderne Kirchenarchitektur zu studieren. 1958 wurde die neue Kirche in Bremen auf den heute noch zugänglichen Überresten der alten Kirche fertiggestellt. Der gelb-rote Sandstein aus Logonna soll an das « Flammenmeer » von 1944 erinnern.
11.3 Kirche Saint-Louis, Fassade und Vorplatz, Anfang des 20. Jh.
11.4 Kirche Saint-Louis, Wiederaufbau, Foto: 1965
11.5 Saint-Louis-Kirche, Innenansicht, Rekonstruktion, Foto: 2021
11.6 Kirche Saint-Louis, Substruktionen mit Ruinen der alten Kirche, 2021
Ein vereinfachter Neubau an einem wichtigen städtischen Standort.
Der « Temple Protestant », das kleinste religiöse Gebäude in Brest vor 1944, war zwischen 1861 und 1863 im neogotischen Stil erbaut worden. Er war länglich, sehr schmal und hoch und hatte ein Satteldach. Das neue Gebäude mit einfachen Formen und einem flachen Walmdach wurde zwischen 1952 und 1955 etwa 50 m vom alten Gebäude entfernt im Nordosten in der Querachse der Stadt errichtet.
11.7 Ehemaliger protestantischer Tempel, ca. 1900
11.8 Protestantischer Tempel, Wiederaufbau, Rue Voltaire, 1989
11.9 Protestantischer Tempel, Wiederaufbau, das Innere, ca. 1955
Dresden
In der überwiegend protestantischen Stadt Dresden waren 23 Kirchen vom Krieg betroffen: Fünf wurden wiederaufgebaut, eine davon originalgetreu; vier weitere wurden umgenutzt. Von den stark oder vollständig beschädigten Kirchen wurden elf zwischen 1945 und 1963 abgerissen, oft aus politischen Gründen. In diesem Zeitraum wurde in Dresden nur eine Kirche für eine Gemeinde wiederaufgebaut, die bis dahin kein eigenes Gotteshaus besaß: die St. Petri-Kirche im Stadtteil Strehlen.
Originalgetreu wiederaufgebaut
Die katholische Hofkirche in Dresden wurde zwischen 1739 und 1755 für den sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. erbaut, der zum Katholizismus konvertiert war. Sie wurde 1945 schwer beschädigt und von 1945 bis 1962 – dank einer starken Initiative der Kirchengemeinde – originalgetreu wiederaufgebaut, da sie Teil des wichtigen historischen und städtebaulichen Ensembles des Theaterplatzes ist.
11.10 Hofkirche, Kriegsschäden, Blick auf den Chorraum der Orgel, 1947
11.11 Hofkirche, Blick auf den Altar, 2007
11.12 Hofkirche, Blick von Norden, 2011
Purifizierender Wiederaufbau
Die Heilig-Kreuz-Kirche, die Kreuzkirche, wurde zwischen 1764 und 1792 erbaut; das Innere wurde 1897 nach einem Brand in überschwänglichen neobarocken Formen umgestaltet. Nach 1945 wurde die Kirche für die Gemeinde wiederaufgebaut, vor allem aber als Konzertsaal für den weltberühmten Knabenchor der Heilig-Kreuz-Kirche. Das Dekor, das nach der massiven Zerstörung von 1945 erhalten geblieben war, wurde zwischen 1946 und 1955 dem damaligen Geschmack entsprechend vollständig entfernt, was man heute nach und nach wieder zu beheben versucht.
11.13 Kreuzkirche, Ansicht des Altars, vor 1936
11.14 Kreuzkirche, Blick auf den Altar nach dem Wiederaufbau, 1957
Wiederaufbau im Rahmen des Notkirchenprogramms
Zwischen 1945 und 1947 entwickelte das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland (HEKD) eine Aktion zugunsten der Kirchengemeinden, indem es ihnen die Mittel für den schnellen Bau von Kirchen zur Verfügung stellte. 1947 beauftragte das HEKD den Architekten Otto Bartning mit der Planung von Notkirchen; er schlug vier Varianten vor, bei denen die tragende Dachkonstruktion aus vorgefertigten Holzbindern mit Dreigelenkrahmen bestand und die Umfassungsmauern freistehend aus wiederverwendeten Steinen errichtet wurden. Im selben Jahr genehmigte der Wiederaufbauausschuss des Weltrats der Kirchen den Bau von Notkirchen in Ostberlin und Dresden.
Der Gemeinde der Friedenskirche in Dresden-Löbtau wurde eine Notkirche zugewiesen, um die alte, stark beschädigte Kirche zu ersetzen, die zwischen 1889 und 1891 im Stil des Historismus erbaut worden war. Die mit einem Polygon abgeschlossene Notkirche wurde zwischen 1949 und 1952 innerhalb der teilweise erhaltenen Umfassungsmauern errichtet. Im Fall der Friedenskirche in Löbtau besteht die Besonderheit darin, dass eine erhaltene Mauer des alten Gebäudes neben Mauern, die aus Trümmersteinen errichtet wurden, wiederverwendet wurde.
Es handelt sich um eine von 43 Kirchen, die in ganz Deutschland im Rahmen von Bartnings Notkirchenprogramm errichtet wurden und vom Weltkirchenbund sowie in- und ausländischen Spenden finanziert wurden.
11.15 Otto Bartning, Notkirche Typ B, Schritte zur Fertigstellung
11.16 Dresden-Löbtau, Friedenskirche, 2008
11.17 Dresden-Löbtau, Friedenskirche, Innenansicht der Notkirche, 2008